Kurz vor Weihnachten fallen die Rapsnotierungen an der Matif wieder fast bis auf das Niveau vom Jahresanfang. 2023 steht im Zeichen eines großen Angebots. Marktkenner und Händler können die aktuelle Preisentwicklung auf dem europäischen Markt nicht nachvollziehen und sprechen bereits von Verwerfungen im internationalen Preisgefüge.
Denn üblicherweise müsste europäischer Raps gegenüber Raps aus Kanada zu dieser Jahreszeit um 50 €/t teurer sein, damit sich der Export nach Europa für die Kanadier lohnt. Aktuell liegt der Preis jedoch mehr als 20 €/t unter dem Preis in Kanada. Eine Änderung scheint nicht in Sicht.
Eigentlich waren große Handelshäuser von einer Zwischenrally des hiesigen Rapspreises bis in den Februar ausgegangen. Insbesondere Raps aus Kanada findet bisher nicht den Weg nach Europa. Importeure sind traditionell Frankreich und Spanien. Mitte Dezember haben nun erste Schiffe mit Ware aus Australien die hiesigen Häfen erreicht. Dort erwartet die Agrarbehörde Abares eine Rapsernte von 7,3 Mio. t, was Exporte von 6,2 Mio. t möglich macht. „Das sieht aktuell alles etwas nach verkehrter Welt aus“, kommentiert Jost Schliep, Rapshändler bei der Agravis in Hannover die Entwicklung. Das mache natürlich auch schwieriger, die Lage für das kommende Jahr einzuschätzen.
Mit dem Blick auf die Anbaufläche beim Raps sieht es hingegen etwas besser aus als noch im Vorjahr. Die Union zur Förderung von Oel- und Proteinpflanzen (UFOP) geht in Deutschland von einer Anbaufläche von 1,10 bis 1,13 Mio. ha aus. Besonders im Norden und Süden soll mehr Raps ausgesät worden sein. Insgesamt sei die Rapsfläche um 50.000 ha größer als zur Ernte 2022. Zudem sind die Rapsbestände hierzulande gut entwickelt in den Winter gegangen. Schäden durch Auswinterungen erscheinen bisher eher unwahrscheinlich. Ob die strengen Temperaturen von bis zu minus 12 Grad Celsius in der Vorweihnachtswoche Schäden angerichtet haben, ist noch nicht absehbar.
Die weltweite Erntemenge im Wirtschaftsjahr 2022/23 wird vom Internationalen Getreiderat (IGC) derzeit auf 84,4 Mio. t geschätzt und würde damit so hoch wie nie zuvor ausfallen. In der EU bilanziert man laut Novemberschätzung der EU-Kommission 19,4 Mio. t Raps. Für die Ernte 2023 erwartet Coceral in einer ersten Prognose eine nur geringfügig kleinere Menge von 19 Mio. t. „Mit Blick auf die IGC-Zahlen sehen wir auch entsprechend ansteigender Verbräuche weltweit“, erklärt Schliep, der sich aufgrund der Fundamentaldaten keine Sorgen um einen deutlichen Preisverfall beim Raps macht. Die preislichen Übertreibungen, die mit Beginn des Ukraine-Krieges am Markt aufgekommen waren, seien mittlerweile Geschichte. Der Rapsmarkt bewege sich langfristig betrachtet preislich immer noch auf hohem Niveau und werde voraussichtlich auch auf diesem bleiben. (Quelle: agrarzeitung)