Biomarkt in der Krise – die fetten Jahre sind vorbei

Stockender Absatz, schlechte Preise, hohe Kosten. Die Probleme, die in der Vergangenheit die konventionellen Landwirte plagten, setzen nun der Biobranche massiv zu.

Nachdem die Coronakrise Biobauern und Biolebensmittel noch zweitstellige Zuwachsraten bescherte, leidet die Branche nun unter den explodierenden Nahrungsmittelpreisen und den sparsamen Einkäufen der Verbraucher. Europaweit verändern die hohe Inflation und die explodierenden Energiepreise das Einkaufsverhalten der Verbraucher.

Gespart wird auch beim Einkauf von Lebensmitteln. Offenbar merken das die Biomärkte und Biobauern erheblich stärker als die konventionellen Landwirte und konventionelle Lebensmittelhändler. Sparen ist derzeit auch bei Lebensmitteln angesagt und viele Supermärkte stellen vor allem die günstigen Eigenmarken nach vorn in die Regale.

Die Umsatzkurven für Biolebensmittel in Deutschland gingen in den vergangenen Jahren nur in eine Richtung – nach oben. Doch seit dem Krieg in der Ukraine und der rekordhohen Inflation wendet sich das Blatt. Sowohl von den Biobauern als auch vom Biohandel wird über massive Absatzprobleme und zu niedrige Preis berichtet. Hohe Umsatzeinbußen im Bio-Handel

Wie leergefegt sind viele Hamburger Bio-Läden, berichtet die Hamburger Morgenpost. Besonders inhabergeführte Bio-Märkte und Bio-Marktstände, oder Vegan-Händler bangen um ihre Existenz, heißt es dort. Der Händler „Stückgut“ ist bereits in Insolvenz gegangen, andere Läden haben bis zu 50 Prozent Umsatz-Einbußen.

Ähnlich ist die Lage auch anderswo. Das Brandenburger Ökodorf Brodowin zählt zu den größten Demeter-Betrieben Deutschlands. Das Konzept sieht vor, Lebensmittel nach bio-dynamischen Richtlinien zu produzieren und zu verarbeiten. Über den Verkauf im eigenen Hofladen hinaus werden die Lebensmittel zudem mit einem Lieferservice in Eberswalde auch an Bio-Märkte und Privatkunden in Berlin und Brandenburg versandt.

Gegenüber dem RBB berichtet die zuständige Mitarbeiterin Franziska Rutscher: Es sieht nicht so gut aus. Wir haben stark sinkende Zahlen. Damit müssen wir klarkommen. Viele Liefer-Optionen – seien es Fahrzeuge oder Leute, die für uns arbeiten – sind am Kippen. Wir haben gerade wesentlich weniger Kunden. Unser höchster Punkt waren fast 4.000 Kunden pro Woche. Das war im Jahr 2021. Und wir sind jetzt gerade runtergefallen auf 2.300.“Biobauern tief in den roten Zahlen

Ähnliches berichtet die Hannoversche Allgemeine (HAZ) aus der Region Hannover. Dort berichtet Julia Schwarting das die Einkünfte aus ihrem mobilen Bioladen stark einbrechen.  Seit 2018 verkauft die 45-Jährige Obst, Gemüse, Eier, Brot, Kuchen und Fleisch von lokalen Erzeugern in einem umgestalteten Bauwagen.

„Ich merke ganz stark, dass die Kunden mehr auf den Preis gucken“, berichtet die Händlerin. Seit März hat Julia Schwarting Umsatzeinbußen von gut 30 Prozent, dabei hat sie bisher nur die Preise für Backwaren erhöht. „An Bioeiern verkaufe ich nur noch die Hälfte“, erzählt sie. Von einem ihrer Lieferanten hat sie gehört, dass Bio-Eierhöfe mangels Nachfrage bereits begonnen haben, Legehennen zu schlachten.

Auch Carsten Bauck, der seinen Demeter-Hof in Klein Sülstett bei Uelzen seit 20 Jahren bewirtschaftet, spürt die Krise. Er hält Legehennen und Rinder und baut Kartoffeln an. Gegenüber dem ZDF sagt Bauck: „Es ist so, dass wir es ganz schwer haben, überhaupt noch Geld zu verdienen, und wir haben Monate dabei, wo wir Geld verlieren und das tut richtig weh.“ Es ist so, dass wir erstmalig damit zu kämpfen haben, die Produkte, die wir erzeugen, auch wirklich an den Kunden zu bekommen.

Tim Treis, Vorsitzender der Vereinigung Ökologischer Landbau in Hessen (VÖL) berichtet gegenüber der Hessenschau sogar von bis zu 50 Prozent Umsatzeinbußen. Er sagt „Das kann die Existenz bedrohen.“ Und führe dazu, dass es weniger Bio geben könnte und Höfe aufgeben oder zurück zur konventionellen Landwirtschaft wechseln müssten. Biomilch: Fundamentale Marktverschiebung

Bei den Milchbauern ist die Entwicklung ähnlich. Hier sind die Preise bei Biomilch deutlich langsamer gestiegen als bei konventioneller Milch – doch im Verkauf sind höhere Preise derzeit nur sehr schwer umzusetzen. Das ist Ausdruck einer fundamentalen Verschiebung im Milchmarkt, sagen Marktexperten. „Der Markt für konventionelle Ware ist derzeit deutlich dynamischer als die Bio-Milchpreise“, sagt Hans-Jürgen Seufferlein vom Verband der Milcherzeuger Bayern (VMB).

Das ist natürlich frustrierend für Biobauern: Sie bräuchten von den Molkereien mindestens 15 Cent mehr pro Liter. „Wir arbeiten momentan unter Mindestlohnniveau, für etwa zehn Euro pro Stunde“, sagt der Biolandwirt Johann Ellenrieder gegenüber dem Bayerischen Rundfunk (BR). Er hat sich für seinen Betrieb mit 50 Milchkühen eine Vollkostenrechnung erstellen lassen. Ergebnis: Wenn alle Arbeitsstunden, die auf seinem Hof geleistet werden, mit 20 Euro pro Stunde entlohnt werden würden, bräuchte er 15 Cent mehr pro Liter Milch, um ihre Kosten zu decken. Momentan bekommt Ellenrieder 55 Cent für den Liter.

Der Bioland-Verband fordert einen Erzeugerpreis von 68 bis 73 Cent je Liter Biomilch. Doch an der Ladentheke wird das schwer umzusetzen sein. Im Bayerischen Landwirtschaftsministerium sieht man diese Entwicklung mit großer Sorge. „Das wird dazu führen, dass Milchviehbetriebe ihre vielleicht schon viele Jahre geplante Umstellung von konventionell auf Bio noch mal überdenken“, sagt Wolfgang Wintzer, Leiter des Referats für ökologischen Landbau gegenüber dem BR.