Russland hat letztlich doch noch vor dem 18. Mai der Verlängerung des Getreideabkommens im Schwarzen Meer zugestimmt. Damit verflüchtigten sich vorerst die Sorgen vor möglichen Engpässen in der globalen Weizenversorgung.
Doch die vereinbarte Laufzeit von zwei Monaten ist ein Kompromiss, der vor allem Moskau in die Karten spielt. Aller Voraussicht nach wird ab Ende Juni das Zittern vor dem abermals drohenden Aus des Abkommens erneut beginnen. Denn wie der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan als Vermittler des Deals verkündete, lenkte Russland nur ein, um eine weltweite Lebensmittelkrise zu verhindern. Somit kann das Land in den kommenden Verhandlungsrunden die gleichen Druckmittel einsetzen wie bisher. Schließlich erwähnten weder Erdogan noch russische Regierungsvertreter, dass es Zugeständnisse hinsichtlich der mantraartig wiederholten Forderungen gab. Aus dem Kreml hieß es lediglich, die bestehenden Probleme müssten „auf technischer Ebene“ geklärt werden. Keine größeren Kurskapriolen. Allerdings scheinen sich die Weizenmärkte inzwischen an das wiederkehrende Schauspiel, das trotz lautem Säbelrasseln bislang stets ein positives Ende fand, gewöhnt zu haben. Größere Kurskapriolen blieben in der jüngeren Vergangenheit zumindest aus. Seit vergangenem Oktober befinden sich die Notierungen in einem übergeordneten Abwärtstrend, der die Kurse zuletzt in die Nähe eines 2-Jahres-Tiefs drückte. Befeuert wird der Preisverfall durch den erbitterten Preiskampf im Exportgeschäft. Vor dem Hintergrund üppiger Weizenerträge in der auslaufenden Saison 2022/23 haben sich Russland und die Ukraine im Buhlen um die Gunst der internationalen Abnehmer stets aufs Neue unterboten.
Für die kommende Saison 2023/24 gehen die Experten aus globaler Sicht derzeit von relativ konstanten Weizenerträgen aus. So taxierte das US-Agrarministerium (USDA) im Wasde-Report für Mai die globale Produktion in der ersten Schätzung des Jahres auf 789,76 Mio. t, was einem Plus von 740.000 t gegenüber der aktuellen Saison entspricht. Im Detail gibt es jedoch größere Verschiebungen. Russland (-11,4 Prozent auf 81,5 Mio. t), die Ukraine (-21,4 Prozent auf 16,5 Mio. t) sowie Australien (-25,6 Prozent auf 29,0 Mio. t) müssen demnach mit teils kräftigen Ertragsrückgängen rechnen. Ausgeglichen werden diese unter anderem durch Zuwächse in der EU (+3,5 Prozent auf 139,0 Mio. t), Kanada (+9,4 Prozent auf 37,0 Mio. t) und Argentinien (+55,4 Prozent auf 19,5 Mio. t). Die weltweiten Exporte dürften 20223/24 nach den USDA-Daten leicht um rund 3,0 auf 209,7 Mio. t sinken. Interessant dabei ist, dass Russland trotz des erwarteten Produktionsrückgangs nicht nur Exportweltmeister bleibt, sondern seine Ausfuhren im Saisonvergleich um 1,0 auf 45,5 Mio. t steigern soll. Spanien ist EU-Sorgenkind
Die Weizenaussichten für die USA sind wie 2022/23 vergleichsweise verhalten. Unter dem Strich erwarten die Experten ein Ertragsplus von 260000 t auf 45,16 Mio. t. Die seit Monaten andauernde Exportflaute dürfte die US-Ausfuhren noch eine Weile in Schach halten. Entsprechend ging die Prognose um gut 1,3 auf 19,7 Mio. t zurück. Alarmierend ist derweil die Qualität der Winterweizenbestände, die das USDA infolge der schweren Wintertrockenheit im Frühjahr so schwach bewertete wie noch nie. Die Sommerweizenaussaat kam zuletzt etwas in Schwung, lag Mitte Mai jedoch noch deutlich hinter dem Fünfjahresmittel zurück.
In der EU hellten sich die Erwartungen für die kommende Saison zuletzt etwas auf. Zwar klagten insbesondere Frankreich, Italien und Spanien sowie die USA über einen zu trockenen Winter, doch entspannte sich die Situation im Frühjahr vielerorts spürbar. Allein Spanien gilt aufgrund fehlender Niederschläge noch als Sorgenkind. Vor diesem Hintergrund rechnen sowohl das USDA als auch europäische Analysten mit einem Ertragszuwachs gegenüber der Vorsaison auf schätzungsweise 139,0 Mio. t.
Als nach Kriegsbeginn im vergangenen Frühjahr die Weltgemeinschaft vorübergehend ohne ukrainischen und russischen Weizen auskommen musste, brachte Indien sich zwischenzeitlich als Retter in der Not ins Spiel. Allerdings kam es letztlich nicht zur avisierten Exportoffensive, da die erwartete Rekordernte des Subkontinents unmittelbar vor dem Drusch einer verheerenden Hitzewelle zum Opfer fiel. Noch immer hat das Land mit den Nachwirkungen zu kämpfen. So ist die Regierung weiterhin bemüht, die stark aufgezehrten Staatsreserven aufzufüllen. Obwohl Indien laut den USDA-Daten erneut mit einer Rekordernte von 110,0 Mio. t rechnen kann, ist nicht davon auszugehen, dass nennenswerte Mengen davon exportiert werden. (Quelle: agrarzeitung)