Karlsruhe – Angesichts des drohenden Gasmangels im Winter sind baden-württembergische Städte und Gemeinden im Energiesparmodus. In den Rathäusern wird geschaut, wo sich Heizkosten senken lassen, Lichter ausgeschaltet werden können und wie man möglichst schnell von fossiler Energie wegkommt. Aber die Gasknappheit bedeute auch für jeden Bürger, jede Bürgerin drastische Auswirkungen, sagte Karlsruhes Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD) am Mittwoch. «Jetzt haben wir eine Situation, wo es auf jeden Einzelnen ankommt.»
Mit sechs anderen nord- und mittelbadischen Städten und deren Stadtwerken startete er eine Kampagne, um den Energieverbrauch in der Region um 20 Prozent zu senken. Geplant seien etwa Beratungsangebote online und vor Ort, Plakate, Zeitungsanzeigen und Video-Tutorials, sagte Iman El Sonbaty von den Karlsruher Stadtwerken.
Tausende Schülerinnen und Schüler sollen informiert und Energiesparbotschafter in ihren Familien werden. Bei sogenannten Energiespar-Challenges soll Prämien erhalten, wer bestimmte Einsparziele erreicht.
Mentrup verspricht sich davon nicht nur, besser durch diesen Winter zu kommen. Die Kampagne «Energie Pakt» solle auch die Energiewende an sich beschleunigen. Die Region könne Vorreiter in Sachen Energie und Klimaschutz werden. Durch den Schulterschluss mit Baden-Baden, Rastatt, Ettlingen, Rheinstetten, Bruchsal und Bretten gebe es einheitliche Sparziele und der Austausch von Ideen laufe besser.
Ähnliche Zusammenschlüsse – zum Teil auf einen Landkreis bezogen, zum Teil in lockeren Kooperationen – gibt es nach Angaben des Städtetags Baden-Württemberg auch andernorts, etwa in der Region um Ludwigsburg. Der Städtetag hat für Mitglieder eine Austauschplattform geöffnet, auf der sie sich gegenseitig Ideen geben und Fragen stellen können.
«Jede Initiative, die dazu beiträgt, alle Verbraucherinnen und Verbraucher für das Thema zu sensibilisieren und zum Sparen zu animieren, ist gut», teilte eine Sprecherin des Verbandes mit. Auch wenn man der Meinung sei, seinen Beitrag schon geleistet zu haben, lohne es sich, noch einmal nach weiteren Sparpotenzialen zu schauen, sagte der Ettlinger Bürgermeister Johannes Arnold (parteilos). Dabei kann es laut El Sonbaty auch um den Austausch alter, stromfressender Lampen im Keller gehen. Die Summe vieler Maßnahmen sei entscheidend.
Die Stadt Heidelberg beispielsweise startet im September eine Fördermaßnahme für Mini-Solaranlagen auf Balkonen und Terrassen. Die Stadt übernimmt 50 Prozent der Kosten bis maximal 750 Euro. Um Kunden bei der Umstellung auf ein «CO2-neutrales Leben» zu helfen, baut der Freiburger Grundversorger Badenova neben seinen Beratungsangeboten ein Netzwerk an Handwerkern und weiteren Partnern aus. Das solle sicherstellen, dass «die persönliche Energiewende» der Kunden möglichst umfassend und schnell vollzogen werden kann. Die Kommunen im Südwesten schauen aber auch, wo sie selbst Energie sparen können. Oft sind die Maßnahmen dabei recht ähnlich.
In Stuttgart etwa sollen die städtischen Gebäude in diesem Jahr erst ab dem 1. November dauerhaft beheizt werden. Vorher werde die Heizung maximal stundenweise in Betrieb genommen. Allein diese Maßnahme soll den Energiebedarf den Angaben zufolge um ein Prozent senken.
«Die stärksten Energieeinsparungen erhoffen wir uns beim Thema Heizen», erklärte der Stuttgarter Bürgermeister für Städtebau, Wohnen und Umwelt, Peter Pätzold, dazu. Eine weitere Einsparung von zwei Prozent erwartet die Verwaltung durch die Senkung der Soll-Temperatur in der Heizperiode von 20 auf höchstens 19 Grad.
Zudem hat Stuttgart schon zu Jahresbeginn den Verbrauch von fossilem Erdgas um 35 Prozent gesenkt und durch sogenanntes biogenes Gas aus Abfall- und Reststoffen wie Papierabfällen ersetzt. «Mit dieser starken Umstellung auf biogenes Gas nimmt Stuttgart eine Vorreiterrolle unter den deutschen Großstädten ein», erklärte Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) jüngst.
Mannheim etwa will die Raum- und Wassertemperatur der Hallenbäder um zwei Grad senken. «Die Beckenheizungen in den Freibädern, die mit Fernwärme betrieben werden, werden ausgeschaltet», heißt es in einer Mitteilung der Stadt. Anlagen zur Regulierung der Raumluft würden – soweit es die Pandemielage zulasse – auf den geringstmöglichen Energieverbrauch eingestellt. Ferner prüfe der Stadtraumservice Mannheim in Abstimmung unter anderem mit der Polizei, ob Ampelanlagen über das bisherige Maß hinaus abgeschaltet werden könnten.
Apropos Licht: Die Stadt Göppingen hat bei der Straßenbeleuchtung durch die Umrüstung auf Leuchtdioden (LED) den Energieverbrauch seit 2015 nach eigenen Angaben nahezu halbiert. Um ihn um weitere rund 20 Prozent zu verringern, werde nun darüber nachgedacht, die bisher praktizierte «Halbnachtschaltung» von 23.00 bis 5.00 Uhr auf die gesamte Nacht auszudehnen. «Dabei wird an der Leuchte die Helligkeit ohne deutlich erkennbaren Komfortverlust zurückgefahren», erläuterte die Stadt. Das sei deutlich wirksamer und praktikabler umzusetzen, als beispielsweise jede zweite Leuchte auszuschalten.(Quelle:dpa)